Die Antilopen Gang Im Interview: Eine Endlosschleife Des Glücks
Die Antilopen Gang, das sind die, die in den letzten Jahren das Internet mit ihrer schwer einzuordnenden, humorvollen Rapmusik bereichtert haben. Jetzt sind sie bei JKP, dem Label der Toten Hosen, unter Vertrag. Ihr neues Album erscheint heute und trägt den Titel „Aversion“. Danger Dan, Panik Panzer und Koljah haben uns ein bisschen was erzählt über Kinder, HipHop und Musikszenen im Allgemeinen. Und über Adorno.
greenality: Ursprünglich habt ihr euch ja irgendwie schon ein bisschen über dieses Untergrund-Ding definiert. Also, dass ihr keine Kohle verdient, Rap kein Job ist usw. Das wird jetzt euer erstes Album, das ihr mit einem Label zusammen gemacht habt. Habt ihr Schiss, dass euch die Fans ab jetzt nach und nach abspringen, weil ihr nicht mehr das verkörpert, was sie an euch gefeiert haben? Wie nervös macht euch das Release?
PANIK PANZER: Wir haben uns nie über den Untergrund definiert. Untergrund zu sein war halt unsere Realität, also haben wir es thematisiert, aber es war nicht unser Anspruch. Wenn Leute tatsächlich Antilopen feiern, weil wir angeblich bisher eine Untergrund-Attitüde verkörpert haben, dann haben die nichts kapiert. Das war nie das, was uns ausmacht.
KOLJAH: Naja, kommt drauf an. “Für immer Untergrund”, “Rap braucht die Industrie nicht, Rap braucht keine Vertriebe” oder “Rap ist kein Job”, das sind ja wirklich Textstellen von uns. Aber das waren halt auch so Sprüche, das war nicht dogmatisch gemeint. Wir haben aus der Not eine Tugend gemacht. Das wäre ja bescheuert, sich dafür abzufeiern, kein Geld zu haben oder so.
DANGER DAN: Ich bin trotzdem nervös gerade. Man weiß einfach wirklich nicht, wie die Leute reagieren, wenn sie plötzlich etwas bezahlen sollen und ob die das dann machen. Wer sich aber ernsthaft echauffiert, der darf ab nun gerne anstelle unserer Musik lieber gemafreie Zahnarztbohrergeräusche runterladen. Den wollte ich eh nicht als Fan.
greenality: Bei facebook seid ihr ziemlich aktiv, freut euch z.B. über eine gute Albumkritik vom Intro-Magazin. Wäre das nicht etwas, worüber ihr euch früher das Maul zerrissen hättet?
PANIK PANZER: Das ist Unsinn! Wir haben uns schon immer gefreut, wenn es positive Reaktionen auf unsere Musik gab. Es ist ja nicht so, dass man gerne der Unverstandene und Gehasste sein will, nur weil man aneckt, mit dem, was man tut. Ich liebe es, geliebt zu werden. Und die Intro ist super, wir freuen uns, dass wir da auf offene Ohren stoßen. Vielleicht hätten wir uns früher aber über die Interviewanfrage eines Ökoklamottenversands das Maul zerrissen, heute machen wir das bereitwillig mit.
greenality: Bis jetzt klingt das Album so, als hättet ihr euch ganz schön verändert. Es scheint viel ernster und vor allem reflektierter zu sein. Ihr habt ja erst ein paar Tracks veröffentlicht aber auch in Interviews wirkt ihr gemäßigter. Überhaupt, dass ihr so bereitwillig Interviews gebt. Ist das etwas, was das Älterwerden mit sich bringt?
DANGER DAN: Ich habe mich sehr verändert, weil ich neulich plötzlich sehr alt geworden bin, es stimmt.
PANIK PANZER: Wir haben uns immer über Interviews gefreut, aber früher hat sich die Presse halt nicht so für einen interessiert. Wir hätten seit Gründung der Antilopen Gang fast nie ein Interview ausgeschlagen, dafür sind wir zu große Selbstdarsteller. Um so schöner, dass es nun mehr Anfragen und Möglichkeiten dazu gibt als früher.
KOLJAH: Ja, wir waren eigentlich nie so drauf, dass wir uns allem verweigert hätten. Wir haben aber manchmal so getan, um zu vertuschen, dass die anderen sich uns verweigern.
greenality: Koljah grenzt sich in Spastik Desaster „zwanghaft von HipHop ab“, wenn es in Interviews um Musik geht, redet ihr gern über Punkrock, auf eurer Record-Release-Party treten unter anderem die Shitlers auf und laut eurem neuen Track „Outlaws“ muss Deutschrap sterben damit ihr leben könnt… Ist es nicht mega anstrengend, sich in einem Musikgenre zu bewegen, das man hasst?
PANIK PANZER: Ich liebe HipHop! Aber Danger Dan hasst Hip Hop ein bisschen, glaube ich. Vielleicht kann er ja was dazu sagen.
DANGER DAN: Ich hasse Hiphop nicht mehr als andere Musikszenen auch. Ich werfe HipHop zwar zum Beispiel Dummheiten wie Sexismus vor, aber de facto sind es ja die Punkkonzerte, wo die Mädels oft am Rand stehen und die Jungs sich in einen möglichst brutalen Pogo-Hexenkessel verprügeln, Bier saufen und grölen.
KOLJAH: Es ist halt Quatsch, irgendwelche Teilbereiche oder Musikgenres rauszupicken und denen dann so was vorzuwerfen, als wäre das ein punk- oder rapspezifisches Problem und kein allgemeines. Dann vielleicht doch lieber umfassende Gesellschaftskritik betreiben. Wie auch immer: Ich bin großer Rap-Fan, ich hasse Rap nicht, ich sage das allerhöchstens mal aus Gründen der Attitüde.
greenality: Irgendwie scheint doch im Deutschrap endlich wenigstens ansatzweise ein Bewusstsein für Toleranz aufzukeimen, z.B. was Homophobie und Sexismus in den Texten angeht. (Gerade solche Jungs wie z.B. Fatoni und Juseju) Deutschrap entwickelt sich so gesehen doch in eine ganz gute Richtung, oder wie seht ihr das?
KOLJAH: Ich finde es jedenfalls gut, dass es Diskussionen innerhalb der Rapszene gibt über Homophobie, Rassismus oder auch über Antisemitismus. Die meisten reden dann halt scheiße, aber früher wurde so was gar nicht in dem Maße thematisiert.
greenality: Ihr seid ja schon ziemlich abgefuckt von der Welt. Das meine ich jedenfalls aus fast allen Tracks, die ihr im Laufe der Zeit gemacht habt, herauszuhören. Denkt ihr auch manchmal darüber nach, Kinder in diese Welt zu setzen?
KOLJAH: “Die Welt ist so schlimm, ich will da keine Kinder reinsetzen” – das ist so ne bequeme Aussage von irgendwelchen einfältigen Arschlöchern, das hat mich schon immer genervt.
PANIK PANZER: Um meinen guten Freund Martin Shitler zu zitieren: “Kinder sind richtig nice!”
DANGER DAN: Viele unserer Fans sind noch Kinder, daher will ich nun nicht schlecht über alle Kinder reden. Aber Kinder sind nunmal keine Erwachsenen und müssen einfach noch viel lernen, soviel sei mal gesagt.
greenality: Wollt ihr mit eurer Musik etwas bezwecken? Und wenn ja, was?
PANIK PANZER: Ich will Geld und meine Ruhe. Leider bin ich pleite und gestresst.
KOLJAH: Geht mir genau so.
DANGER DAN: Die Toleranzgrenze für von der Masse abweichendes Verhalten ist bei Künstlern größer, es wird sogar in gewisser Weise von ihnen erwartet, etwas verrückter zu sein. Ich hoffe, dass ich mir über die Musik ein Image aufbauen kann, das als Schutzschild dient, damit keiner bemerkt, dass ich einen Knall habe.
greenality: Seid ihr zufrieden mit eurer Außenwirkung oder würdet ihr euch schon manchmal wünschen, dass die Leute euch in einem anderen Licht betrachten? Ich würde z.B. Danger Dan wegen seiner Parts und seiner Solo-EP „Dinkelbrot & Ölsardinen“ als einen sehr nachdenklichen Menschen einschätzen. Stimmt das, oder ist das etwas, was einen als Musiker tierisch aufregt, weil man dann schon wieder in eine Ecke gedrängt wird?
DANGER DAN: Das meiste, was die Leute in mich hineinhalluzinieren, sagt ja mehr über den Betrachter aus als über mich. Die einen sehen mich aus einem politischen Blickwinkel und halten mich dann für besonders reflektiert oder unreflektiert, andere für humorvoll oder traurig und wieder andere für einen Proll oder ein Weichei. Eine Studentin aus Tübingen hat neulich eine Bachelor-Arbeit geschrieben, in der sie eine Parallele zwischen meinen Liedern und Adornos Büchern belegen will und tatsächlich eine gute Note dafür bekommen. Dabei sieht Adorno wirklich nicht gut aus und hat keinen Sexappeal, ich hingegen bin ein swaggy Dude.
KOLJAH: Ich bin immer froh, wenn Leute sich mit mir beschäftigen und über mich nachdenken, reden oder, besser noch, etwas ins Internet schreiben. Ist mir eigentlich auch egal, was das im Einzelnen ist. Hauptsache, es geht um mich. Ich versuche aber, das zu beeinflussen, denn meine Außenwirkung interessiert mich sehr, ich bin privat auch ganz anders. Ehrlich gesagt nur halb so cool wie ich mich gebe.
greenality: Ihr lest euch doch bestimmt auch mal eure facebook bzw. Youtube-Kommentare durch. Über welche Art von Kommentaren kotzt ihr am meisten ab?
PANIK PANZER: Alles ist geil! Jede Reaktion ist gut für uns. Wenn die Leute unsere Mucke feiern, schmeichelt mir das. Wenn die Leute es hassen, haben wir auch alles richtig gemacht. Alle machen alles richtig. Es ist eine Endlosschleife des Glücks.
greenality: Ihr seid ja schon ganz schön bekannt inzwischen. Habt ihr deswegen auf Features verzichtet? Dass es keinen Streit gibt, weil alle euch featuren wollen?
KOLJAH: Ja. Äh, nein.
Jetzt heißt es wieder: Entweder oder!
Team Edward oder Team Jacob? Hä?
Nietzsche oder Kant? Cunt
MC Fitti oder Money Boy? Money Boy
Celo und Abdi oder Haftbefehl? Haftbefehl
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- Pressefotos Antilopen Gang – © Thomas Schermer